Burnout – ein Zustand emotionaler, mentaler und körperlicher Erschöpfung – ist zu einem immer dringlicheren Thema im Pflegeberuf geworden. Häufig ausgelöst durch anhaltenden beruflichen Stress, kann Burnout schwerwiegende Folgen für sowohl Pflegende als auch Patientinnen und Patienten haben.
In der Schweiz schlagen Pflegeorganisationen seit Jahren Alarm: Chronischer Personalmangel und übermässige Arbeitsbelastung gelten als zentrale Ursachen für den anhaltenden Druck.
Eine Studie, die ein Jahr nach Ausbruch der COVID-19-Pandemie durchgeführt wurde, unterstreicht das Ausmass des Problems zusätzlich. Schweizer Pflegefachpersonen berichteten über hohe emotionale Erschöpfung (51,8 %), deutliche Anzeichen von Depersonalisation (29,6 %) sowie ein geringes Gefühl beruflicher Erfüllung (51 %) – drei Kernindikatoren, die häufig zur Beurteilung von Burnout im Gesundheitswesen herangezogen werden.
Ähnliche Entwicklungen zeigen sich auch in Ländern wie Deutschland und Österreich, wo Pflegende nahezu doppelt so häufig unter Burnout leiden wie Berufstätige in anderen Branchen. Dieser Überblick beleuchtet die Warnzeichen und Ursachen von Burnout in der Pflege, bringt das Thema durch reale Erfahrungen zum Leben und skizziert einen strukturellen Rahmen für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema.
Symptome von Burnout bei Pflegekräften
Obwohl es keinen Konsensus zur Definition von Burnout gibt, wird die Maslach Burnout Inventory häufig verwendet, um Burnout zu erkennen. Sie beruft sich dabei auf drei zentrale Dimensionen : emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und ein verringertes Gefühl persönlicher Leistungsfähigkeit. Gemeinsam bilden diese Merkmale die Grundlage dafür, wie Burnout im klinischen Umfeld erfasst und erlebt wird.
Emotionale Erschöpfung ist oft das erste und deutlichste Anzeichen. Pflegekräfte in diesem Zustand beschreiben sich häufig als vollkommen ausgelaugt – körperlich, geistig und seelisch. Es treten Reizbarkeit, innere Distanz oder ein tiefes Gefühl der Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Arbeit auf. Manche sprechen von einem endlosen Kreislauf der Erschöpfung: ein täglicher Kampf, den Dienst überhaupt zu bewältigen – begleitet von Symptomen wie Herzklopfen, Zittern oder anhaltenden Schlafstörungen.
Depersonalisation beschreibt die Entwicklung einer zynischen, distanzierten oder emotional abgestumpften Haltung gegenüber Patientinnen und Patienten. Oft dient sie als Schutzmechanismus, wenn die Anforderungen in der Pflege überhandnehmen. Bleibt dieser Zustand jedoch unbehandelt, gefährdet er nicht nur die Versorgungsqualität, sondern führt auch zu moralischer Belastung bei den Pflegenden.
Ein verringertes Gefühl persönlicher Leistungsfähigkeit äussert sich durch Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und die Frage, ob die eigene Arbeit überhaupt einen Unterschied macht. Mit der Zeit kann dies das berufliche Selbstverständnis und die Arbeitszufriedenheit stark beeinträchtigen.
Diese Kernsymptome gehen häufig mit einer Vielzahl weiterer körperlicher und psychischer Beschwerden einher – darunter chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Probleme, Schlafstörungen oder sogar Panikattacken. Manche Pflegekräfte berichten von wachsender Angst, Fehler zu machen, oder dem Gefühl, den Anforderungen ihres Berufs nicht mehr gewachsen zu sein – beides verstärkt den Stress zusätzlich.
In ihrer Gesamtheit zeigen diese Symptome eindrucksvoll, welche emotionale und körperliche Belastung Burnout für Pflegekräfte bedeutet. Ein besseres Verständnis ihrer Wechselwirkungen ist entscheidend, um Warnzeichen frühzeitig zu erkennen und wirksame Unterstützungssysteme aufzubauen.
Ursachen und beitragende Faktoren
Auch wenn die Symptome von Burnout in der Pflege gut dokumentiert sind, ist es ebenso wichtig zu verstehen, warum es dazu kommt. Nur so lassen sich wirksame Präventions- und Interventionsstrategien entwickeln. Burnout entsteht selten durch einen einzelnen Auslöser – vielmehr ist es das Ergebnis mehrerer, andauernder Belastungsfaktoren im Gesundheitswesen. Im Folgenden werden die wichtigsten Ursachen beschrieben, wie sie im Schweizer Pflegealltag und darüber hinaus beobachtet werden.
1. Arbeitsbelastung und Personalmangel
Einer der häufigsten und unmittelbarsten Auslöser für Burnout bei Pflegekräften ist eine übermässige Arbeitsbelastung. Viele Pflegende sind regelmässig für eine hohe Anzahl von Patientinnen und Patienten verantwortlich – mit begrenzter Zeit und unzureichenden Ressourcen, um die notwendige Versorgung sicherzustellen. Dieses Ungleichgewicht wird durch anhaltenden Personalmangel noch verschärft, was zu ausgelassenen Pausen, verlängerten Schichten und verpflichtenden Überstunden führt.
Dabei handelt es sich keineswegs um ein rein lokales Problem – vielmehr ist es Teil einer weltweiten Krise. Laut dem Institute for Health Metrics and Evaluation fehlt es den globalen Gesundheitssystemen derzeit an 5,9 Millionen Pflegekräften, und es wird geschätzt, dass 30 Millionen zusätzliche Pflegefachpersonen benötigt werden, um den zukünftigen Bedarf zu decken. Diese Zahlen verdeutlichen das Ausmass der Problematik und erklären, warum so viele Pflegekräfte an ihre Grenzen stossen.
In besonders beanspruchten Versorgungseinrichtungen sind Pflegende häufig bis zum Äussersten gefordert . Unter solchen Bedingungen wird es nahezu unmöglich, die einfühlsame und gründliche Pflege zu leisten, die viele als Berufung sehen. Die Belastung ist dabei nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Viele berichten, dass sie während ihrer Schichten nur noch das Notwendigste erledigen können und sich am Tagesende vollkommen erschöpft fühlen.
Wenn übermässige Arbeitsbelastung zum Normalzustand wird und Möglichkeiten zur Erholung fehlen, wird Burnout zu einem systemischen Ergebnis – nicht zu einem Einzelfall.
2. Emotionale Belastung und Emotionsarbeit
Pflege ist in hohem Masse emotionale Arbeit. Pflegekräfte sind regelmässig mit Leid, Trauma und Tod konfrontiert – und müssen dabei nicht nur ihre eigenen Gefühle bewältigen, sondern auch die Emotionen von Patientinnen, Patienten und deren Angehörigen auffangen. Diese dauerhafte Emotionsarbeit kann die psychischen Ressourcen stark beanspruchen und zu Compassion fatigue führen – einem möglichen Vorläufer von Burnout.
Ohne institutionelle Unterstützung kann sich das emotionale Gewicht solcher Erlebnisse mit der Zeit anhäufen. Traumatische Erfahrungen – etwa der Verlust eines Menschen unter belastenden Umständen – wirken oft weit über das Ende einer Schicht hinaus nach. Wenn solche Ereignisse nicht anerkannt oder verarbeitet werden, kann dies zu einer inneren Abstumpfung führen. Was zunächst als Schutzmechanismus dient, kann sich schleichend zu einer emotionalen Taubheit entwickeln – ein Zeichen tiefer psychischer Erschöpfung und einer verminderten Fähigkeit zur Empathie.
3. Schichtarbeit und fehlende Work-Life-Balance
Die Unregelmässigkeit von Schichtarbeit – insbesondere Nachtdienste und verlängerte Rufbereitschaften – bringt den biologischen Rhythmus aus dem Gleichgewicht und erschwert die notwendige Erholung. Chronische Müdigkeit und Schlafstörungen sind häufige Folgen. Die körperlichen Konsequenzen dieser andauernden Erschöpfung können für Pflegekräfte ernst – und in manchen Fällen tragisch – sein.
Extreme Erschöpfung beeinträchtigt nicht nur das Urteilsvermögen und die Reaktionsfähigkeit, sondern birgt auch konkrete Sicherheitsrisiken. In einem bekannt gewordenen Fall vergass eine Pflegekraft nach einem Nachtdienst ihr Baby im Auto, als sie direkt zurück zur Arbeit fuhr. Auch wenn dieser Vorfall nicht direkt auf Burnout zurückgeführt wurde, zeigt er deutlich die kognitiven Auswirkungen von chronischem Schlafmangel und Übermüdung – beides Faktoren, die im Pflegealltag weit verbreitet sind.
Solche Ereignisse machen eindrücklich klar: Erschöpfung im Gesundheitswesen ist nicht nur eine individuelle Belastung – sie stellt ein ernstzunehmendes Risiko für die öffentliche Gesundheit dar.
4. Fehlende Wertschätzung, starre Hierarchien und Mobbing am Arbeitsplatz
Obwohl Pflegekräfte unverzichtbare und oft lebensrettende Arbeit leisten, fühlen sich viele unterbezahlt und zu wenig wertgeschätzt. Hierarchische Führungsstrukturen schliessen sie häufig von Entscheidungsprozessen aus – was das Gefühl von Ohnmacht und Fremdbestimmung verstärkt. Toxische Führungskulturen und Mobbing am Arbeitsplatz verschärfen diese Situation zusätzlich.
In manchen Einrichtungen werden sogar arbeitsrechtliche Vorgaben missachtet: Pflegekräfte werden gebeten, trotz Krankheit zu arbeiten, oder unter Druck gesetzt, unzulässige Überstunden zu leisten. Diese systematische Missachtung trägt erheblich zu emotionalem Burnout und beruflicher Ernüchterung bei.
Demgegenüber zeigen sich in Arbeitsumgebungen, die Respekt, faire Bezahlung und partizipative Führung in den Mittelpunkt stellen, deutlich geringere Burnout-Risiken. Eine solche Kultur schützt nicht nur das Personal, sondern verbessert auch die Versorgungsqualität langfristig.
5. Auswirkungen der COVID-19-Pandemie
Die Pandemie hat keine völlig neuen Probleme geschaffen – sie hat bereits bestehende Herausforderungen massiv verschärft. Pflegekräfte sahen sich mit unerbittlichen Arbeitsbelastungen, erhöhtem Gesundheitsrisiko und der emotionalen Belastung durch hohe Sterblichkeitsraten konfrontiert. Viele gaben an, sich während und nach der Pandemie so ausgebrannt wie nie zuvor gefühlt zu haben.
Zwar waren öffentlicher Applaus und kurzfristige Wertschätzung weit verbreitet, doch konnten sie die strukturellen Probleme wie niedrige Löhne und Personalmangel nicht lösen. In der Folge haben einige Pflegekräfte den Beruf ganz verlassen – für sie stellte die Pandemie den endgültigen Wendepunkt dar.
Gesundheit neu denken – von innen heraus
Burnout in der Pflege ist weder selten noch zufällig – es handelt sich um ein systemisches Problem, das das Herzstück der Gesundheitsversorgung betrifft. Gekennzeichnet durch emotionale Erschöpfung, innere Distanz und ein verringertes Gefühl beruflicher Erfüllung, entsteht Burnout durch eine Kombination chronischer Belastungen: überfordernde Arbeitslast, emotionale Daueranspannung, fehlende Work-Life-Balance und mangelnde institutionelle Unterstützung. Diese Herausforderungen sind nicht abstrakt – sie betreffen echte Menschen, engagierte Fachpersonen, deren Wohlbefinden für das Funktionieren unseres Gesundheitssystems essenziell ist.
Zwar zeichnen sich erste Reformen und Initiativen zur Sensibilisierung ab, doch der Fortschritt ist uneinheitlich. Wirkliche Veränderung erfordert mehr als kurzfristige Anerkennung – sie braucht strukturelle Verbesserungen in Arbeitsbedingungen, Personalplanung und psychosozialer Unterstützung. Burnout bei Pflegekräften zu verhindern, bedeutet zugleich, die Zukunftsfähigkeit des gesamten Gesundheitswesens zu sichern.
Nur wenn wir in jene investieren, die für andere sorgen, können wir ein System schaffen, das menschlich, widerstandsfähig und zukunftstauglich ist.
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